Es ist vollbracht!
Ich durfte das Team der JVA Bielefeld-Brackwede bei der Umsetzung des Täter- Opfer- Kreises (TOK) von Mai 2021 - Dezember 2022 unterstützen, und das restorative justice Projekt 21/22 konnte sehr erfolgreich mit neun Teilnehmenden umgesetzt werden. Von Anfang an wurde mir sehr viel Vertrauen entgegengebracht, und die Umsetzung des Projektes erfolgte während der gesamten Projektlaufzeit auf Augenhöhe zwischen allen Beteiligten zu jeder Zeit. Ich war und bin sehr beeindruckt von der professionellen und engagierten Arbeit des leitenden Sozialarbeiters und der Psychologin der jeweiligen Fachdienste, die zusammen mit weiteren Kollegen und Kolleginnen tolle konzeptionelle Arbeit geleistet haben und das Projekt mit Leidenschaft und Fachlichkeit als erste Justizvollzugsanstalt in NRW umgesetzt haben. Der ehemalige und der aktuelle Anstaltsleiter Bielefeld-Brackwede Herr Nelle-Cornelsen und Herr Wulfert haben das Projekt sehr unterstützt und den Teilnehmenden und dem Team durch ihre Fürsprache sehr viel Wertschätzung entgegengebracht. Ohne diese Unterstützung der Anstaltsleitung wäre solch ein aufwändiges Projekt sehr schwer bis gar nicht umsetzbar gewesen.
Meine Arbeit bestand darin, das Projekt mit zu planen, unterstützend bei Akquise und Eignungsüberprüfung von potenziellen Teilnehmenden dabei zu sein, Vorbereitung der Vor- und Nachgespräche sowie aller Gruppensitzungen nebst Nachsorgetreffen in Kooperation mit den Fachdiensten Psychologischer - und Sozialdienst durchzuführen, Fachberatung, Moderation und die Übernahme von Teilen des Berichtwesens.
Kurz zum theoretischen Hintergrund eines restorative justice Projekts in einer Justizvollzugsanstalt:
Die Aufgaben des Justizvollzuges sind in den Strafvollzugsgesetzen klar geregelt. Die Inhaftierten sollen zu einem künftigen Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten befähigt und die Allgemeinheit soll vor weiteren Straftaten geschützt werden. Die in 2022 durchgeführte Maßnahme für eine Opferorientierung im Strafvollzug in Form des restorative justice Projekts, Täter- Opfer- Kreis (TOK) in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede benannt, geht über den Gedanken des Opferschutzes durch Verhinderung künftiger Straftaten hinaus. Die Einsicht der Inhaftierten in das Unrecht ihrer Straftaten und die Bereitschaft, für deren Folgen einzustehen, sollen geweckt und unterstützt werden. Opferorientierung wird in Übereinstimmung mit dem Resozialisierungsziel dabei in den Blick genommen.
Zum Ablauf des Projekts:
Nach vielen Einzelgespräche mit Betroffenen und Inhaftierten konnten wir nach 12 Monaten mit unseren Gruppentreffen starten. Es gab 5 Teilnehmende, die Opfer einer Straftat geworden sind, und 4 Inhaftierte. Begleitet wurden die Treffen von drei Teamerinnen und Teamern. Vor der gemeinsamen 7-stündigen Begegnung der Opfer und der Täter im Kreis wurden mit beiden Gruppen 4 vergleichbare Sitzungen durchgeführt, in denen die Teilnehmenden sich als Gruppe finden und kennenlernen konnten. Sie konnten sich die Motivation für ihre Teilnahme sowie die Erwartungen an dem gemeinsamen TOK bewusst machen und Botschaften an die andere Gruppe formulieren. Es wurde ein Film angeschaut, der solche Täter- und Opfer- Begegnungen und die Thematik der Schuld, Vergebung etc. betrifft, mit anschließendem Austausch. Für die Gruppe der Betroffenen wurde eine Anstaltsführung angeboten. Jedes der Treffen fand immer unter dem Aspekt der Einstimmung auf die gemeinsame Begegnung in der JVA statt. Die Treffen in den jeweiligen Gruppen fanden alle 2-3 Wochen statt. Beim ersten Treffen wurde in beiden Gruppen Grundsätzliches erarbeitet, so z.B. Selbstfürsorgeregeln und Gruppenregeln. Es wurde die Landkarte der Befindlichkeiten (mit eigenem Symbol zum Setzen, siehe Foto oben) als wiederkehrender Bestandteil für den Beginn jeder Sitzung eingeführt:
Darüber hinaus ging es in allen Sitzungen immer um die Leitfragen (was ist mir passiert; was habe ich getan; was hat sich verändert; warum nehme ich teil), also um Darlegung des eigenen Erlebten. Am Ende jeder Sitzung gab es immer einen Ausblick auf die nächste Sitzung und ein Abschlussblitzlicht.
Zum Abschluss bekamen alle Teilnehmenden einen 3-seitigen Fragebogen mit, den sie 6 Wochen später zum Nachsorgetreffen mitbringen konnten. Hier ging es um Fragen zur Allgemeinen Zufriedenheit, der Motivation und der Ziele, Veränderung im Laufe des Projekts und danach, positive Aspekte, negative Aspekte, Bewertung der Treffen in der „eigenen“ Gruppe, Bewertung des gemeinsamen Treffens in der JVA, Rückblick auf die erlebte/ausgeübte Tat und offen gebliebene Wünsche. Der angenommene Mehrwert einer Teilnahme an einem restorative justice Projekt für die Gesellschaft, für die Betroffenen und auch für die Justizvollzugsanstalt hat sich bei der Auswertung des Fragebogens bestätigt. In dem Fragebogen wurde als besonders eindrücklich, die Perspektive der anderen Gruppe persönlich zu hören, Fragen beantwortet zu bekommen und etwas zurückzugeben an die Gesellschaft, genannt. Die Sicht der Opfer zu sehen und zu spüren - dies habe ihn für Tage berührt und nachdenklich gemacht, schrieb ein Inhaftierter. Ein Zitat eines anderen Inhaftierten: „Es war erschreckend zu sehen, wie die Folgen einer Tat Menschen ihr Leben lang begleiten, auf beiden Seiten.“
Alles in Allem war die Durchführung der Maßnahme ein Geschenk für alle Beteiligte. Das Team und ich haben auf höchstem fachlichen Niveau gearbeitet. Zum Abschluss dieses Beitrages möchte ich einen Auszug aus der Referenz, die ich von der Justizvollzugsanstalt Bielefeld- Brackwede erhalten habe, zitieren: „(…) Über den gesamten Prozess des ersten Bielefelder Täter- Opfer- Kreis war die Zusammenarbeit mit Frau Hirt von der gemeinsamen, tiefen Überzeugung getragen, dass ein sicherer, geschützter und begleiteter Gesprächsraum für beide Gruppen die Chance auf eine Weiterentwicklung im individuellen Heilungsprozess bzw. Resozialisierungsprozess bedeuten kann. Für die kompetente, herzlich einfühlsame und respektvolle Zusammenarbeit, kombiniert mit einer klaren und festen Haltung zum Ansatz „restorative justice“ gilt Frau Hirt unser besonderer Dank“.
Von rechts nach links: Herr Rilli (leitender Sozialarbeiter), Frau Wylenzek (Diplom-Psychologin) und ich bei dem wichtigen Modul des Überbringen von Botschaften von der einen Gruppe zur anderen Gruppe.
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